Mit künstlicher Intelligenz zu personalisierter Krebsdiagnose

Pathologen beurteilten früher Krebstumore hauptsächlich mittels makroskopischer und mikroskopischer Untersuchungen. In den letzten Jahren ist eine neue Methode hinzugekommen: Dank der DNA-Methylierungsanalyse können Tumore durch Algorithmen der künstlichen Intelligenz besser diagnostiziert werden. Die Abteilung Neuropathologie am Institut für Medizinische Genetik und Pathologie des Universitätsspitals Basel ist in der Schweiz führend bei der Weiterentwicklung dieser Technik.

Molekulare Hirntumordiagnostik mittels Nanopore-Sequenzierung und künstlicher Intelligenz. Das Universitätsspital Basel ist das erste Zentrum in der Schweiz, das diese Analysen in die Routinediagnostik eingeführt hat.

«Die Arbeit der Pathologinnen und Pathologen in der Tumordiagnostik wird sich durch diese Methode signifikant verändern.»

Prof. Stephan Frank

Hohe diagnostische Präzision

Wenn Prof. Stephan Frank und Dr. Jürgen Hench über die grosse Chance der Analysen von Tumoren durch künstliche Intelligenz sprechen, kommen sie sofort ins Schwärmen. Kein Wunder: Die Möglichkeiten für die computergestützte Diagnostik von Tumoren sind riesig. Diese führt zu einer ausserordentlichen diagnostischen Präzision und erkennt Veränderungen in den Tumorzellen, sodass gewisse Krebsarten erfolgreich mit einer bestimmten Therapie behandelt werden können. Aktuell wird die Methode am Universitätsspital Basel vor allem für Hirntumore angewendet, aber bereits heute gibt es die Möglichkeit, auch andere Tumorarten anhand ihrer DNA-Methylierung zu analysieren.

Karzinom, Sarkom, Melanom oder …

Wie funktioniert der Scan der DNA? Während einer Operation wird beispielsweise ein kleines Tumorgewebsfragment gesichert, dessen DNA innerhalb weniger Stunden analysiert werden kann. Durch den computergestützten Abgleich des dabei erstellten DNA-Methylierungsprofils mit den Methylierungsprofilen tausender anderer Tumoren kann dann durch die Pathologin oder den Pathologen diagnostisch eingeordnet werden, ob es sich beispielsweise um ein Karzinom, Sarkom, Lymphom, Melanom, oder um eine der mehr als 100 bekannten Hirntumor-Entitäten handelt. Gleichzeitig kann das Profil in vielen Fällen anzeigen, ob und wie die Therapie optimiert werden könnte. Bislang benötigte es hierfür vielfach verschiedene, teils aufwendige Zusatzanalysen. Die neue Methode ist nicht nur schneller, sondern auch kostengünstiger.

15'000 abrufbare Datensätze

Dr. Jürgen Hench hat am Universitätsspital Basel ein Softwarewerkzeug entwickelt, das für die Weiterentwicklung dieser Methode entscheidend ist. Externe Kollegen weltweit können dabei ihre Methylomdaten anonymisiert hochladen und so mit allen bislang erfassten Tumordatensätzen vergleichen. Mehr als 15'000 solcher Tumor-DNA-Methylomdatensätze sind bereits abrufbar und mit jedem neu hochgeladenen Datensatz lernt der Computer Neues dazu. Die diagnostische Präzision wird dadurch laufend verbessert und bleibt fortwährend aktuell. Die grösser werdende Datenmenge hat einen weiteren positiven Effekt: Auch seltenste Tumoren können dadurch immer besser erkannt werden. Das ist eine grosse Chance für eine zukunftsträchtige personalisierte Medizin.

Dem Ursprungstumor auf der Spur

Die neue Technologie kann auch in der Diagnostik von Cancers of Unknown Primary (CUP), also Krebserkrankungen mit unbekanntem Primärtumor, eine wichtige Rolle spielen. Bei einigen Krebserkrankungen werden bei Patientinnen und Patienten zunächst nur die Tumorabsiedlungen (Metastasen) entdeckt, während der Ursprungstumor im Verborgenen bleibt. Die Datenbank ermöglicht in solchen Fällen den Abgleich mit anderen, klinisch bereits dokumentierten Fällen und kann durch die Zuordnung zu einem Primärtumor helfen, eine geeignete therapeutische Strategie zu definieren. «Die Arbeit der Pathologinnen und Pathologen in der Tumordiagnostik wird sich durch diese Methode signifikant verändern», erklärt Prof. Stephan Frank. Aber er ist sicher: «Pathologen, die mit dem Mikroskop arbeiten, wird es definitiv auch in Zukunft brauchen». Sie werden aber zunehmend auf die Unterstützung durch Algorithmen der künstlichen Intelligenz angewiesen sein.